Ein Text von Herbert Hundrich zur kommenden Ausstellung im Kulturhaus Mestlin

Es ist nicht das, wonach es aussieht –  ist nicht das, was es scheint, es ist auch nicht das, was wir wahrnehmen, dennoch sind wir unerschütterlich  überzeugt und glauben ausschliesslich an das, was wir sehen.

Das ist die Stunde der  Medien, der Reportagen, Dokumentationen und Augenzeugenberichte. Ich habe gehört, habe gesehen, bin dabei gewesen, berichte und erzähle davon. Wir tragen jeden Konflikt, jedes Drama jede Geschichte die wir für richtig halten in deine Küche und an deinen Wohnzimmertisch. Unsere Glaubwürdigkeit ist in der Kritik begründet, glaube nichts und niemandem ein Wort, glaube nicht was dir andere erzählen, glaube noch nicht einmal das, was Du siehst, denn auch dein Sehen wird nur von deinen eigenen Wünschen gelenkt.

Jutta Schöbel hat mich dazu eingeladen, an Ihrer diesjáhrigen Ausstellung “Raben” im Kultur Denkmal Mestlin teilzunehmen. Im Gegenüber,  in meiner Interpretation, in künstlerischer, metaphysischer Sicht. Mein Blick auf die Raben – in oder aus grösstmöglicher Distanz. Den Zusammenhang herzustellen, durch grossen Überblick, im Sinne von ganzheitlichem Denken, was hat den oder die Raben zu dem gemacht was sie sind – was hat die Raben zu Dem werden lassen, wie wir sie sehen.

Raben sehen phaszinierend aus, durch die Geschichten die Menschen über sie erzählen mit geheimnisvollem Leben erfüllt. Von Götterboten, Ratgebern, auf Schultern sitzenden Weisen, die Ihr Weisheiten in geweihte Ohren flüstern, die sonst niemand versteht, die Galgenvögel, Unheilsbringer oder um den Berg fliegen, davon berichten ob sich die Zeiten schon geändert haben bis zu den 7 Brüdern, von den Eltern verstossen, erst wieder durch die Liebe ihrer Schwester erlöst werden konnten.

Schliesse ich die Augen, lass’ die vielen Geschichten vorüberziehen, bleibt eine Geschichte  hängen, die nordische Mythologie, in den Odin mit seinen beiden Raben, Munin und Hugin, auf den Schultern über die Schlachtfelder zog um die Seelen der getöteten Krieger zur Teilnahme an seiner Tafel einzuladen. Einzige Bedingung: sie müssen ihre Aufgaben im Leben gemeistert haben und mutig gestorben sein. Nicht wenige Geschichten erzählen, das Odin bei diesen Entscheidungen von den Raben beraten wurden. Ob das nun stimmt oder nicht – eines scheint sicher, die Raben waren immer dabei.

Spannend daran, mich an den Raben und über die Raben hinaus interessiert, ist der Moment, in dem die Raben, die menschliche Seele berühren.

2023, dieses Jahr habe ich zum Jahr der Rettungsdecke erklärt.

Klimawandel, soziale Ungerechtigkeit, Fragen zur Bildung, Gleichberechtigung, Rassismus, Krieg, Flucht und Vertreibung, Migration und wie gelingt Integration, das sind nur einige, brennend aktuelle Probleme, die unsere Gegenwart bestimmen. Zusätzlich die Fragen sozialer und kulturpolitischer Art. Zu vieles, was geschützt werden muss. Zu vieles, um nicht zu sagen Alles,  ist von Menschen gemacht. Von Menschen gegen Menschen gemacht.  Es geht schon lange nicht mehr “nur um die Menschen” um die menschliche Existenz, schon lange wird auch die menschliche Seele bedroht.

Jetzt kommt die Rettungsdecke ins Spiel. Als Hemd, Jacke, Mantel oder Haus, Hütte, Zelt, Iglo… im Kleinen und im grossen Format. Platz genug, für die einzelne Seele, im familiären oder im lockeren Verbund.   

Mit meiner Installation mache ich auf diese Situation aufmerksam, stelle die Seele und ihre Schutzbedürftigkeit in den Vordergrund. Erzähle von der Notwendigkeit sicherer Räume, die für den
Schutz geistiger und seelischer Werte zuständig sind.

Vielleicht, wenn wir den Geschichten der Vergangenheit lauschen, sollten wie wieder lernen den Raben zuzuhören.